17/18.7. (Bilder 1-10):
Almaty hat mich überzeugt. Das ist eine wirklich schöne Stadt, auch wenn man viel Zeit und Weg investieren muß, um die Dinge zu erhalten, die man braucht. Am Dienstag waren das ein neuer Fotoapparat und Straßenkarten von Ost-Kasachstan. Ich habe beides gefunden und dabei auch noch weitere Entdeckungen gemacht. Zunächst gab es wieder einen schönen Blick zum Frühstück auf die noch durchnässte Stadt. Nach einem Regenguß gehen hier auch gleich wahre Sturzbäche die Kanäle herunter und davon gibt es nicht wenige. Auch diese Stadt „schwimmt“ in Wasser. Trockenheit ist hier nicht zu erwarten. In der Metro erfreute mich zunächst die Aufnahme unseres ICE-T. Allerdings nur kurz, denn hier wird er nolens volens zum U-Bahn-Zug degradiert. In der Stadt wird gerade viel an der Infrastruktur gearbeitet. Für Menschen, die zu Fuß unterwegs sind, artet das schnell in eine Waldwanderung aus. Was machen da eigentlich die Kinderwagenschieber und Rollstuhl-Nutzer? Auch mit der richtigen Asphalt-Mischung hat man so seine eigenen Vorstellungen. Aber das betrifft den kompletten asiatischen Raum. Jedenfalls war er unter dem Parkdeck des Hotels so weich, daß der Hauptständer meiner Maschine um mehr als 2cm eingesunken ist und sie somit wieder auf den Rädern stand. Hauptsache, sie ist nicht umgefallen. Am Mittwoch bin ich wieder mit 2 Aufgaben losgezogen: Frisör und Kettenspray für die BMW. Um ersteres zu erreichen, bin ich noch am Rathaus gewesen, Fort Knox ist wahrscheinlich auch nicht schöner. Dann habe ich den Maestro des Dosty Prospektes im Untergeschoss eines Wohnhauses entdeckt. Hier wird einem das Haupthaar incl Waschen noch für 5€ von der Birne machetet, > Hallo Adrian, schon wieder aus der Ohnmacht erwacht? Dann ging´s weiter zum Kettenspray. An der nächstgelegenen Tanke waren nicht weniger als 4 Personen bemüht, mich an die sichere Bezugsquelle zu verweisen, das war toll! Auf dem Weg dorthin (es war wieder Metro angesagt) treffe ich auf Pieter aus Holland. Das ist der junge Mann, den ich erstmals im Iran getroffen hatte, klein ist die Welt! Das Beeindruckenste an der Metro sind die Fahrtreppen. Hier geht es weit nach unten! So wird es im neuen S-Bahn-Tunnel auch aussehen, gratuliere. Nach soviel Arbeit (grins) habe ich mir ein Feierabendbier am Brunnen verdient. Später ging es mit der Seilbahn (jawohl, ich schäme mich) auf den 150m höher gelegenen Aussichtshügel über der Stadt. Den Sonnenuntergang konnte ich mit Dillon aus NZ genießen, der seit 2 ½ Jahren in Berlin lebt. Tja, Leute trifft man… Ein letzter Blick noch auf die für die Nachtgänger erwachende Metropole und dann geht es morgen für mich in de Steppe.
19.7. (Bilder 11-16):
Um kurz vor 10 sitze ich wieder im Sattel. Aber es dauert fast eine Stunde, bis ich die Stadt mit ihren aberwitzigen Ampelanlagen hinter mir und Freeway-Asphalt unter den Rädern habe. Zügig geht´s voran, die Straße ist prima, die Aussichten auch. Stört eigentlich nur der brutal böige Seitenwind, der mich ein ums andere Mal zu Kurskorrekturen zwingt, damit ich in der Spur bleiben kann. An allen Rastplätzen sind solchen Rampen aufgebaut, wahrscheinlich, um spürbare Folgen durch die Schlaglochkontakte vor Ort beheben zu können. Sieht aber mehr so aus, als ob Ölwechsel (ohne Auffangwanne) höher im Kurs stehen. In der Provinzhauptstadt mit dem langen Namen beschließe ich, nochmal 150km drauf zu satteln, auch wenn hier die Mörderstraße losgehen soll. Sie tut es nicht, was nicht heißt, daß es sich auf den mit üblen Verwerfungen versehenen Abschnitten sorgenfrei cruisen ließe, aber ich komme besser voran, als gedacht. Wahrscheinlich kommt das dicke Ende noch, denn bis zu russischen Grenze sind es noch gemütliche 800km. In Sankar angekommen, finde ich das einzige Hotel im weiten Umkreis und schieße ein paar Schnappschüsse.
20.7. (Bilder 17-25):
Die Steppe beeindruckt mit ihrer Weite. Für Freunde mediativer Künste ist das sicher etwas Erhebendes. Es schaut alles gleich aus und ist doch total unterschiedlich. Leider kann man als Selbstfahrer nicht ständig in die Landschaft schauen. Denn heute haben sie es uns gegeben: Die ganze Strecke war ein Gehopse und Getrampel. Das lag noch nicht mal an den Schlaglochfeldern, die hier gerne unvermittelt auftauchen, sondern an üblen Querrinnen, die in unregelmäßigen Abschnitten auftauchen und nicht umfahren werden können. Dennoch habe ich einen ganz guten Schnitt hinbekommen. Es gab auch wieder überraschende Momente, wie die Entenfamilie. Auch über die Frage auf dem LKW habe ich gerade in diesem Umfeld stundenlang sinniert, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Überhaupt scheinen Fahrzeuge deutscher Herkunft sehr hoch im Kurs zu stehen, die ursprünglichen Beschriftungen wohl auch. Eines der beliebtesten Verkehrszeichen des Landes habe ich mal festgehalten. Es steht regelmäßig alle 10km am Straßenrand. Heute bin ich einem Einfach-Hotel in Ayakoz (gut, daß ich das fotografiert habe, sonst hätte ich´s schon wieder vergessen) untergekommen. Leider wird gerade in allen anderen Zimmern renoviert, was einen Haufen Dreck verursacht. Mein Zimmer ist noch alt und zumindest, was das Badezimmer angeht, bin ich damit leider zu früh hier 😊 . Dafür wird der Abend von den Signalhörnern der nahen Rangier-Lokomotiven akustisch verfeinert. Tja, so ist das auf Reisen.
21.7. (Bilder 26-33):
Frühstück fällt aus, das haben die Herrschaften der Gostoniza schlicht vergessen! Dafür gibt´s ein „Fernfahrer-Frühstück“ in der Tanke. Weiter geht es mit dem batang-batang der Querfugen. Nach einigen Kilometern auf zentralasiatischen Straßen kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß der Straßenbau hier offensichtlich nicht erfunden wurde. Die Straßenreparatur aber auch nicht! Dafür darf ich dann wieder die schönen Aussichten genießen. Offensichtlich bin ich dabei zu langsam geworden, oder hat mich da gerade ein Pferd überholt? Und Kühe haben Vorfahrt, wenn sie von rechts kommen. Wo kämen wir denn sonst hin? Plötzlich geschieht das Unfassbare: Glatte Straße, topfebener Asphalt, keine Bodenwelle und kein Schlagloch in Sicht! Das ist möglich, wenn man auf eine Magistrale kommt. Es gab zwar noch eine sehr spannende Umfahrung wegen einer Baustelle, aber sonst top. In Semei angekommen darf ich über den Irtysch fahren. Das ist einer der großen Ströme Sibiriens und ich kenne ihn aus Omsk, wo die Transsib ihn kreuzt. Nach der Recherche der Wetterbedingungen in Russland beschließe ich, die Doppelübernachtung hier zu machen. Da bleibe ich länger trocken!
22.7. (Bilder 34-42):
Nun also Semei. Die Stadt ist erst ca 300 Jahre alt und erlangte traurige Berühmtheit in den 40er bis 90er Jahren. Damals erprobten die Sowjets in der Steppe westlich von hier ihre Nuklearwaffen. 460 Versuche sollen es gewesen sein. Es ist zwar auch heute wieder ein strahlender Tag, aber ich hoffe, das hat damit nichts mehr zu tun. Immerhin sollen 1,3 Mio Menschen mittel- und unmittelbar Opfer dieser Versuche geworden sein, unglaublich. Heute erinnert noch das große dunkle Mahnmal an diese Zeit. Ansonsten lässt sich das Leben hier nicht aufhalten. Erstaunlich, was man am Straßenrand so alles sieht. Bezüglich des Passat aus Emden stellt sich die Frage, ob er mit diesem Fahrgestell bereits hergekommen ist?! TÜV ist jedenfalls erst 2014 abgelaufen. Die orthodoxe Kirche habe ich natürlich auch besucht. Unglaublich, wieviele Ikonen in dieses doch eher kleine Gotteshaus passen. Der Irtysch präsentiert sich auch im Stadtbereich noch sehr naturbelassen und hat auch heute seine Badefans beglückt. Am Mahnmal tummeln sich die Brautpaare; in der einen Stunde, in der ich dort war, waren es schon drei! Dafür war der Rest der Stadt wie vernagelt, kein einziges Museum war besuchbar. Und das, obwohl Semei vergleichsweise viel Historisches zu bieten hat. Dafür gibt´s ein Theater hinter einem riesigen Platz, das aber eher wie eine JVA ausschaut. Aber eines war heute besonders erwähnenswert: Seit 8 Wochen hat das Thermometer zum ersten Mal die 30°-Marke nicht überschritten! Morgen verlasse ich Kasachstan endgültig gen Russland. Beeindruckt hat mich die Weite der Steppe, allerdings konnte ich nirgendwo ein Camp entdecken. Möglicherweise haben die Siedlungsprogramme der Sowjets doch soviel Nachhall gefunden, daß das ehemals übliche, nomadische Leben zum Erliegen gekommen ist. Aber ich habe ja auch nur einen ganz kleinen Teil des riesigen Landes besucht.
23.7. (Bilder 43-47):
Jetzt also Russland! Die ganze Nacht hat es in Semei geregnet und die Zeichen stehen auch für den Tag nicht besser. Na denn auf in die Nässe, die Freude ist mir ins Gesicht geschrieben. Unspektakulär geht es nach Norden. Die Grenzabfertigung fällt weniger wegen bürokratischer Komplexität als durch künstliche Wartezeiten auf. Nach knapp einer Stunde bin ich durch. Die erste Stadt hinetr der Grenze erwartet mich mit Ernüchterung: Leute, es gibt wahrlich trostlose Gegenden auf dieser Welt! Die weitere Fahrt führt durch die riesige Barbera-Steppe, die sich zwischen Irtysch/Semei und Ob/Barnaul westwärts zieht. Umfangreiche Entsumpfungen, Kanalisierungen und weitere Umdekorationen haben aus der ehemals sandigen Steppe ein großes Agrargebiet gemacht. Riesige Weizen-, Sonnenblumen- und sonstige Felder ziehen sich bis zum Horizont. Eine reiche Gegend, sollte man meinen, aber in den Orten sieht es anders aus. In einem etwas größeren kann ich Bargeld bunkern und tanken und dann geht es die letzten 130km im Dauerregen nach Barnaul. Natürlich können meine Ersatz-Regenklamotten das nicht vollständig aushalten und so wird’s an bestimmten Körperstellen deutlich feucht. Der Dienstag soll trockener werden und das nutze ich, im Richtung Südosten weiter voran zu kommen.
24.7. (Bilder 48-57):
Das Wetter hält, was die Vorhersage betrifft und ich freue mich auf eine wolkige Tour bei moderaten Temperaturen. Überhaupt ist es deutlich kälter geworden und ich trage Kleidungsstücke, die wochenlang ganz unten in der Tasche verstaut waren. Erwärmend empfinde ich Tatsache, daß der Platz für die Landespapperl auf dem Koffer langsam eng wird. Ein Zeichen? Barnaul jedenfalls wurde vor rund 300 Jahren gegründet und hat seine Entwicklung der Verarbeitung von Kupfererzen zu verdanken. Schon früh gab es eine Eisenbahnanbindung und jetzt ist es ein wichtiger Knotenpunkt mit Anbindung an die Transsib. Los geht es über die alte Brücke über den Ob, den jeder Kreuzworträtsellöser (falls es die noch gibt) kennt. Das große Straßenschild lässt ebenfalls keine Zweifel aufkommen, wo es hingeht, oder? Die Landschaft präsentiert sich so wie gestern, von einigen Wald- und Moor-Einblicken ergänzt. In einer schier endlosen Blechkarawane quäle ich mich an einer enormen Unfallstelle vorbei, die teils heftig zerstörten Wracks liegen hier noch rum. Auslöser für den Stau (den ich als Einspurfahrzeug deutlich abkürzen kann) ist jedoch eine Baustelle. Überhaupt ist das Fahren eines Einspurfahrzeugs nicht nur mit positiven Optionen besetzt, sondern auch mit erheblichen Risiken. Gefahr droht von vorne, wie von hinten. Fahrer von etwas weniger stark motorisierten Gefährten machen den Mangel durch Einsatz wett und überholen mich auch bei Gegenverkehr! Die seitlichen Abstände sind demnach wenig ausgeprägt. Der Gegenverkehr macht es übrigens genauso, aber die sieht man besser und ich kann dann an den Rand ausweichen. Überhaupt wird deutlich zu schnell gefahren, sonst hätte ich diese Erfahrungen nicht. Ein paar Nettigkeiten am Straßenrand darf ich dokumentieren, wie das blumige Dnjpr-Gespann und die schienenlose? Tram, dann komme ich auch schon in die Provinz Altai mit der Hauptstadt Gorno. Einen kleinen Rundgang gönne ich mir und stoße auf das Stadion, das von vielerlei Sportlern genutzt wird. Ich lasse mich auch gleich anstecken und laufe 3 Runden mit. Wer aus unseren Breiten ist denn schonmal auf der Tartanbahn von Gorno-Altaisk gejoggt? Eben!
Anbei der aktuelle Reiseverlauf!
25.7. (Bilder 58-63):
Heute bin ich ins Schwitzen gekommen. Echt jetzt! Und zwar aus eigenem Bewegungsdrang. Unter anderem. Und das kam so: Der Tag begann mit dem angekündigten Dauerregen. Da ich in dieser Gegend ohnehin eine Doppelübernachtung geplant hatte, um die Schönheiten der Region zu genießen, wurde sie halt für das „Abwettern“ genutzt. Rund um die City stehen jedoch einige Mittelgebirgs-ähnliche Höhenzüge und über einen davon hatte ich auf meinen elektronischen Karten einen Weg entdeckt. Das sollte auch im Regen zu machen sein. Nach Erledigung einiger Arbeiten in meinem „Büro“ bin ich am frühen Nachmittag los. Erst entlang der grässlichen Straßen mit den Riesenpfützen im allerdings nachlassenden Nachschub von oben. Dann hinauf in den Wald und in die Einsamkeit. Die erste Anhöhe über dem Wald war zügig erreicht. Dabei kam ich natürlich ins Schwitzen, denn eine solche Beanspruchung hatte ich viele Wochen nicht mehr gehabt. Oben ergab sich ein schöner Blick in die frisch gewaschene Landschaft. Und dann kamen die Hunde! Zwei ziemlich große, ziemlich freilaufende und ziemlich in meine Richtung kommende Viecher. In Anbetracht der Menschenleere dort oben beschloss ich, auf das „die wollen doch nur spielen“ Thema zu verzichten und verordnete mir 1. eine Verschiebung der anstehenden Pinkelpause auf unbestimmte Zeit und 2. einen geordneten Rück- respektive Weitermarsch. (Daß der für genau diese Situationen vorgesehene Pfefferspray im Hotelzimmer schlummerte, versteht sich von selbst.) Da ich mir vorher noch einen groben Überblick über den weiteren Verlauf des Pfades, der hier nicht mehr so gut erkennbar war, machen konnte, bin ich, Wildwechselpfaden durch das hohe, nasse Gras folgend, in Richtung der immer wider von Wolkenfetzen verdeckten Sendemasten getigert, wo ich mir im weiteren Verlauf einen anständigen Weg zurück in die Stadt erhofft hätte. Ersteres kam, Zweiteres nicht. Aber die Spur des Schleppliftes hier herauf konnte auch gut als Rückzugsweg ins Leben genutzt werden. Zwischenzeitlich waren die ungerufenen Geister nämlich wieder aufgetaucht und hatten mich erspäht. Unterdessen hatten die durch das nasse Gras vollgesaugten Hosen ihren feuchten Inhalt in die Stiefel weiter gegeben und die sind nun mal von außen wie von innen dicht 😊. Der Weg entlang der Skipiste erwies sich jedenfalls als zielführend und wie ich unten ankam, waren die Köter bereits auch schon die Hälfte des Hanges herunten, das allerdings etwas schneller. Mit den quatschenden Stiefeln bin ich dann durch die Straßen zum Hotel geschlurft. Dort saß ich dann erstmal eine Weile auf der Bank vor dem Eingang, barfüßig, denn Stiefel und Socken habe ich erstmal von den gröbsten Wassern befreit. Jedenfalls muß ich ein Bild des Elends abgegeben haben und hätte mich nicht gewundert, wenn mir eine erbarmungsfähige Seele eine Kopeke zugesteckt hätte. Aber egal, ich habe mich auf dieser Reise bereits öfter zum Tagesgespräch gemacht und wenn ich ein wenig Spott auf mich ziehe, was soll´s, hier kennt mich eh keiner! Jedenfalls war der Wandertag deutlich schneller beendet, als gedacht (letztes Bild: Ganz links rauf, quer rüber und ganz rechts runter; und links kamen die Hunde).
26.7. (Bilder 64-71):
Auf ins Altai-Gebirge! Entlang des sehr beliebten Kathyun-Flusses geht’s nach Süden. Die Landschaft wirkt gemäßigt-Alpin, es fehlen die schroffen Gipfel. Dafür windet sich die Straße wunderbar entlang des natur-belassenen Flusses, ein schönes Gefühl. Der erste von 2 Pässen bleibt mir in Erinnerung. Erstens war wieder die Russen-Gang da, und zweitens konnte ich feststellen, daß es nach Peking weit weniger weit ist als bis nach Berlin. Alles klar? Somit liege ich grob-navigatorisch richtig. Auf dem zweiten Pass treffe ich ein Paar aus Friedrichshafen mit ihrem Oldie-Benz. Im Vergleich zu den Allrad-LKW-Nomaden, die ich schon getroffen hatte, muß ich sagen: Das sind echte Abenteurer. Und die sahen auch so aus, ich meine, so wie ihr Bus 😊. Weiter gings im südlichen Altai. Heute gab es viele Kilometer zu schrubben, da ich mic, um ein wenig Zeit für die Gegend zu haben, entschlossen hatte, eine doppelte Distanz zu absolvieren, um dann einen vollen Tag für Erkundungen zu haben. Die Landschaft wurde jedenfalls immer schöner!
27.7. (Bilder72-80):
Die einzig verfügbare Absteige im ansonsten recht großen, grenznah angesiedelten Ort entpuppt sich als Sonderprüfung. Aber so etwas hatten wir schon und hatten wir schon überlebt! Daß der Strom im gesamten Ort ausgefallen ist und damit die Wasserversorgung, dafür kann Mirsa ja nichts. War auch erstmal nicht wichtig, denn heute war ich ungestört wandern. Das war toll! Ich habe mehr als zwei Stunden alleine dafür benötigt, um die Ebene zwischen Ortsrand und Hügelrand zu überbrücken. Dabei war keine Menschenseele zu entdecken. Und so ging es dann auch auf den Berg hinauf. Einzig einige Greifvögel und viele Erdhörnchen bezeugen meine Anwesenheit. Absolute Einsamkeit und kein Weg und kein Steig. So muß das vor 150 Jahren in unseren Alpen auch gewesen sein. Beim Rückweg traf ich dann auf die 125er-Gang, die in diesem abgelegenen Bereich ein wenig zum „Spielen“ gefahren ist. Jedenfalls hörte ich ein paar Schüsse auf meinem Weg zurück zur City. Nach 6 ½ Stunden war ich wieder zurück und ziemlich groggy. Dazu hob i mia gscheit oan aufi brenna lossn! Es dauerte dann auch nur noch 3 Stunden, bis Strom und Wasser wieder verfügbar waren, na, wer sagt´s denn, wird schon!
28.7. (Bilder 81-86):
Nachdem ich mir mein Frühstück wieder selbst machen durfte, hält mich nichts mehr länger an diesem Steppennest. Zügig geht´s auf menschenleerer Strecke auf noch nasser Fahrbahn Richtung Osten zur russischen Grenzstation in Taschanta. Es dauert knapp 1 h bis der erste Schlagbaum aufgeht und die Prozedur beginnen kann. Die Wartezeit verbringe ich bei 2 LKW-Travellern, die mit ihren enorm ausgerüsteten 12- und 18-Tonnern in der Warteschlange stehen. Entgegen kommt uns eine Kolonne mitteleuropäischer Wohnmobilfahrer! Diese sind auf einer geführten Tour unterwegs Richtung Europa. Es ist kaum zu fassen, aber sie haben teilweise serienmäßige Ducatos mit Kunststoffaufbau und Alkoven dabei. Damit bereisen sie ähnliche Strecken wie die Expeditionsprofis.
Für mich geht´s nun erstmal für 20km ins Niemandsland zwischen den Grenzstationen. Russland verabschiedet mich mit einem kleinen Hagelschauer! Ich nehm´s mal als Kompliment an. Auf 2500m Seehöhe bewacht ein einsamer russischer Soldat ein Tor und danach bin ich in der Mongolei. Hier wird das Wetter schlagartig besser und die Straße schlagartig schlechter. Also im gemäßigten Tempo hinunter zur mongolischen Kontrolle. Insgesamt gehen 2 1/2h drauf, das ist immerhin ½ h schneller als gedacht. Nach insgesamt 25km geht die Piste wieder in Asphalt über und ich kann wieder mehr meiner Umgebung wahrnehmen. Riesige Flächen erstrecken sich zum hügelgesäumten Horizont, darüber ein mit Wölkchen gesprenkelter, blauer Himmel. Mein Etappenziel ist Oglii, das man mit Phantasie in der Tiefe der Ebene ausmachen kann. Viel Phantasie benötigt man auch, um dem Ort etwas Beschauliches ab zu gewinnen. Das gilt auch, und mal wieder, für die Unterkunft. Immerhin soll´s morgen ein Frühstück geben.
29.7. (Bilder 87-93):
2 Scheiben Brot, Butter und Marmelade, dazu 2 Tassen Tee, besser als nichts! Heute sollen Grete und die Kinder in Ulan Bataar ankommen, wo sie von Heinz empfangen werden. Hoffentlich sind sie gut durch das Münchener Flughafen Chaos gekommen. Für mich führt der Weg weiter nach Chowd. Das sind zwar nur 220km, aber 1/3 davon über Piste. Also lieber etwas mehr Zeit einplanen.
Es wurden dann doch 120km Piste, die mir einen guten Eindruck gaben, wie das Reisen durch die Mongolei vor dem Einzug von Asphalt gewesen sein muß: Langsam, beschwerlich und staubig. Dazu sollte man über einen guten Ortssinn verfügen, denn die verfügbaren Spuren teilen sich über mehrere hundert Meter auf und kreuzen sich auch gerne wieder. Hilfreich ist da in jedem Fall, wenn am Horizont eine Staubfahne erscheint, die auf ein Fahrzeug hinweist. Wenn es dann noch ein vollbeladener LKW ist, dann kann man sicher sein, auf der richtigen Hauptroute zu fahren. Glücklich ist auch der, der ein solch schönes Straßenschild findet.
An einer Tanke wurde ich spontan zu Tee, Bisquit und Nudeln eingeladen, das nenne ich spontane Gastfreundschaft! Ab Xhovd gab´s dann wieder eine gute Straße und so habe ich noch die 436km bis Altai als Nachmittagsausflug angehängt. Endlich wieder Meile machen. Da hat es gestaunt, das Viech! Dadurch spare ich mir einen Fahrtag und kann das zu erwartende Schlechtwetter hoffentlich austricksen. Morgen Abend weiß ich mehr.
30.7. (Bilder 94-102):
Jetzt weiß ich in der Tat mehr, sogar sehr viel mehr! Aus Altai bin ich gut weg, wenn auch nicht besonders früh. Die Landschaft Richtung Osten auch hier unendlich. Ich glaube, die Beschreibung „unendlich“ habe ich schon in einem anderen Land verwendet. Daher muß ich wohl schreiben: In der Mongolei ist alles noch viel unendlicher! Gelegentlich tauchen Einheimische auf und bilden eine willkommene Abwechslung zur ansonsten eintönigen Wüstenlandschaft hier im Südwesten des Landes. Leider kam, was kommen musste und der Asphalt war zu Ende. Dafür gab es Sand und Wellblechpiste ohne Ende. Nach ca 100km, für die ich 4 ½ h benötigte, kam dann der unvermeidliche Umfaller, zum Glück kurz hinter einer Ortschaft. Das Mopped lag ein wenig schräg und ich musste das gesamte Gepäck inkl. Koffer abbauen, um sie wieder in die Senkrechte zu bekommen, kein Spass! Aber er warf auch einige Fragen auf: Was machst Du alleine im nächsten 80km-Abschnitt, wenn Dir das wieder passiert und die Maschine noch schräger liegt? Was machst Du alleine, wenn dabei etwas anderes einen Knacks bekommt? Zudem war es schon später Nachmittag und am nächsten Tag sollte es regnen. Das wollte ich keinstenfalls in der Wildnis erleben! Also Plan B und zurück in den Ort. Dort war ja gerade ein Auto auf einen LKW verladen worden. Ein paar Gespräche und Telefonate über meine Schwägerin später war die Maschine verladen und am Abend ging´s los. (Im Bild meine Crew). Das Gehoppel im LKW war fast noch schlimmer als auf dem bike. Bis nachts um eins sind wir gefahren und haben irgendwo in der Pampa bei ein paar Jurten übernachtet. Aber ein besonderes Erlebnis mit den mongolischen Truckern war es schon. Als zahlendem Gast bekam ich die Koje im Führerhaus, nachdem wir alles Essbare brüderlich geteilt hatten.
31.7. (Bilder 103-107):
Am nächsten Morgen sah alles nicht mehr so lustig aus: Es regnet und übler Morast hatte sich breit gemacht. Leider hat sich aber auch die Ladung im abendlichen Gehoppel und Gehüpfe selbstständig gemacht, was selten gut ausgeht. Den deformierten Hauptständer bringe ich als Kunstwerk mit nach Hause und die Koffer, na ja, sie sind gerade noch so benutzbar. Gegen Mittag haben wir dann den Zielort meines Transports erreicht. Im strömenden Regen. Da die Koffer nicht mehr dicht sind, war an Weiterfahrt nicht zu denken. Also ins Hotel, die Gedanken ordnen, den weiteren Verlauf planen und die gröbsten Schäden an den Koffern bearbeiten, der Maschine fehlt ja sonst nichts. Wenn es hier regnet, dann gibt es ganz schnell eine Wasserschlacht. Aus dem übelsten Schlamassel war ich erstmal raus, das hatte ich, wenn auch mit Fremdhilfe, geschafft. Und es ist auch ganz egal, daß das nicht optimal verlaufen ist, denn heute schreibe ich den 82. Reisetag und morgen biege ich endgültig auf die Zielgerade ein, Yippiehh!! Noch läppische 430km über Asphalt, dann , ja dann … Aber die wollen wir erstmal fahren!
1.8. (Bilder 108-115):
Finale Grande! Ziel erreicht! Reise beendet!
Aber der Reihe nach: Die Mongolei zeigte sich von der angenehmen Seite. Das Wetter trocken, die Steppe nach frischen Kräutern duftend und gelegentlich native Bewohner am Rande der Straße. Dazwischen ein Halt an einer Raststätte, über einen Beton-Sitzplatz über einen Gedenkstein bis um Klo im Hintergrund war eigentlich alles da. Inklusive Wüsten-Springmäuse! Aber heute galt das Augenmerk auf etwas Anderem! Nach der Etappe warteten Grete, Lilli und Jonny auf mich als endgültigen Zielpunkt meiner Reise mit der deutschen und der mongolischen Flagge. Was für ein Hochfest der Gefühle! Nachdem ich die drei in die Arme schließen konnte fand mehr als eine Freudenträne den Weg übers Gesicht!
Dann war es Zeit, zum letzten Mal für dieses Projekt die Maschine ab zu stellen. Das muss ich doch mal in epischer Breite erwähnen: Meine BMW F800GS Adventure in Verbindung mit dem Rotax 2-Zylinder-Twin waren an Zuverlässigkeit nicht zu überbieten! 84 Tage haben wir zusammen verbracht, 16.966 km haben wir dabei zurück gelegt und 14 Länder sowie ungezählte Städte bereist. Und jetzt haben wir unser Ziel erreicht, so wie es von Anfang an gewünscht und bisweilen sogar ersehnt war. Gelobt sei Jesus Christus und alle Schutzengel, die er mir zur rechten Zeit gesendet hat. Wohlbehalten sind wir angekommen und haben die aufregende und abenteuerliche Reise gut überstanden. Damit endet auch mein Bericht und ich danke allen, die sich dafür interessiert haben. Denn obwohl ich die meiste Zeit alleine unterwegs war, habt ihr mir das Gefühl gegeben, nicht alleine zu sein. Und so verabschiede ich mich für dieses Mal von Euch, wünsche Euch alles Gute und passt gut auf Euch auf! Auf ein baldiges Wiedersehen, Inschallah, Euer Jo!